04.12.2019

„Wir müssen auch einfach mal machen!“

Staatssekretär Andreas Westerfellhaus spricht auf der Mitgliederversammlung des Diakonischen Dienstgeberverbands Niedersachsen (DDN)

Hannover, 03.12.2019. „Die Pflegefachberufe sind bei uns in Deutschland hoch angesehen – leider fehlt vielen in der Branche Tätigen das entsprechende Selbstbewusstsein“, sagte der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung Andreas Westerfellhaus auf der Mitgliederversammlung des Diakonischen Dienstgeberverbands Niedersachsen (DDN) am 3. Dezember 2019 im Festsaal des Stephansstifts in Hannover.

Hans-Peter Daub, Stellvertretender Vorsitzender des DDN und Theologischer Vorstand der Dachstiftung Diakonie, hatte in seiner Andacht zu Beginn der Versammlung ebenfalls darauf hingewiesen, dass das Ansehen der Pflegekräfte in Deutschland innerhalb der Gesellschaft höher sei als in ihrer eigenen Wahrnehmung. Die Wertschätzung dürfe sich aber nicht nur auf den gesellschaftlichen Status beschränken, sondern müsse sich auch in guten Konditionen messen lassen – dafür engagiere sich der DDN.

Das Thema, mit dem sich der niedersächsische Verband deshalb momentan über die Landesgrenzen hinaus intensiv beschäftigt, lieferte den passenden Titel für den Vortrag von Andreas Westerfellhaus: „Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Kranken- und Altenpflege und deren Refinanzierung“.

Der Staatssekretär selbst ist mit der Pflege seit jeher eng verbunden: In den 1970er Jahren absolvierte Westerfellhaus die Ausbildung als Krankenpfleger, studierte in den 1980er Jahren Pädagogik für Gesundheitsberufe und wurde Lehrer in der Krankenpflegeausbildung. Er gründete und leitete eine Weiterbildungsstätte für Intensivpflege und Anästhesie und übernahm 1993 die Leitung der Krankenpflegeschule der Westfälischen Kliniken in Gütersloh. Von 2000 bis März 2018 war er Geschäftsführer der ZAB (Zentrale Akademie für Berufe im Gesundheitswesen), und von 2001 bis 2008 Vize-Präsident sowie von 2009 bis 2017 Präsident des Deutschen Pflegerates.

Im März 2018 wurde Westerfellhaus zum Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung ernannt und ist somit Ansprechpartner für alle in der Pflege Beteiligten. In seiner Funktion kümmert er sich um die Interessen der Pflegebedürftigen im politischen Raum und setzt sich dafür ein, dass ihre Belange im Mittelpunkt des Pflege- und Gesundheitssystems stehen.

Politisch habe man in den vergangenen Monaten viele Dinge auf den Weg gebracht, es gebe aber an verschiedenen Stellen Probleme in der Umsetzung, sagte Westerfellhaus und nannte Beispiele: Das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz ist am 1. Januar 2019 in Kraft getreten. Es sehe unter anderem die Finanzierung von 13.000 neuen Stellen in stationären Einrichtungen vor, das Verfahren stottere aber, weil Anträge und Genehmigungen zu hohe Hürden darstellten. Am 1. Januar 2020 komme das Pflegeberufereformgesetz, das den Grundstein für eine zukunftsfähige und qualitativ hochwertige Pflegeausbildung legen soll. Es sehe unter anderem Rahmenlehrpläne für die Ausbildung vor – mit denen sich einige Bundesländer aber schwertun, berichtete Westerfellhaus. Aufgrund des Fachkräftemangels müsse außerdem das Verfahren im Fachkräftezuwanderungsgesetz und die Berufsanerkennung vereinfacht und beschleunigt werden.

Pflege sei existenziell für die Gesellschaft, und aus diesem Bewusstsein sollten Dinge entwickelt werden, sagte der Staatssekretär. Um die Pflege zu gewährleisten, seien nachhaltige Pflegepersonalbemessungssstrukturen nötig, „stattdessen wird über Personaluntergrenzen diskutiert.“ Der Handlungsdruck ist hoch, und aus diesem Grund sind zeitnah praktikable Lösungen gefordert, so Westerfellhaus: „Wir können kein Instrument schaffen, das die nächsten 30 Jahre hält. Wir müssen auch einfach mal machen!“

Im Bericht des Vorstands über die Entwicklung und die Arbeit des DDN im Geschäftsjahr 2018 stellte Rüdiger Becker, DDN-Vorstandsvorsitzender und Direktor der Evangelischen Stiftung Neuerkerode, unter anderem die für den Verband wesentlichen Punkte im 6. Änderungstarifvertrag zum Tarifvertrag Diakonie Niedersachsen (TV DN) dar: die Entgelterhöhung um 7,2 Prozent, die Zulage für Fachpflegekräfte in Krankenhäusern und Altenpflegeeinrichtungen sowie die Angleichung der Tabelle für Altenpflegeeinrichtungen an die allgemeine Tabelle in vier Schritten bis 2022, deren Refinanzierung die Betreiber vor große Herausforderungen stelle. Hier sei für die Zukunft eine branchenweite Einigung nötig, ebenso hinsichtlich der zuletzt nicht erfolgten Neuordnung der Arbeitszeitregelungen.

„Durch massiven Lohnkostenwettbewerb verursachte Niedriglöhne und beschwerliche Arbeitsbedingungen in der Altenpflege wirken verheerend zu Lasten der Arbeits- und Berufswahlattraktivität“, sagte Becker. „Ein allgemeinverbindlicher Branchentarifvertrag für die Altenpflege gewährleiste attraktive Gehälter und Arbeitsbedingungen und kann dem Pflegeberuf wieder zu einem positiven Image verhelfen.“ Das auf Empfehlungen der Pflegekommission basierende und im Oktober vom Bundestag beschlossene Pflegelöhneverbesserungsgesetz ebne den Weg für diesen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag mit bundesweitem Geltungsbereich in der Pflege. Dieser sei das Ziel der Bundesvereinigung Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP), weshalb auch der DDN ihr angehöre, so der Vorsitzende. Um im BVAP an den Verhandlungen für den Branchentarifvertrag unmittelbar mitwirken zu können, wurde eine Änderung der Satzung des DDN nötig, die innerhalb der Bundesvereinigung eine Mitgliedschaft mit Tarifbindung ermöglicht. Diese Änderung wurde in der Versammlung beschlossen.